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Erst als sie teure Drucke anboten,
stieg das Interesse


An der Druckpresse:
Jens Cords und Robert Wohlleben
Foto: Hofmann

H. H. Hamburg, 25. Mai

«Warum soll es nur Bücher geben, die für den Massenkonsum gemacht werden?» fragten sich vor zwei Jahren der Maler Frank Böhm und der Germanist Robert Wohlleben in Hamburg-Meiendorf. Böhm und Wohlleben sahen hier neue Aufgaben für die Graphik, die inzwischen in eine Preislage gekommen war, in der sich vor wenigen Jahren noch Ölbilder befanden.

Die beiden Idealisten gewannen für ihre Idee den Maler und Siebdrucker Jens Cords und gründeten im Herbst 1966 die «Meiendorfer Beiträge» mit dem Untertitel «Zum Vergnügen des Verstandes und Witzes».

Jetzt erschien das vierzehnte Blatt der «Meiendorfer Beiträge». Ursprünglich hatte man sich vorgenommen, jeden Monat eine Graphik als Siebdruck im Format 50×70 cm herauszubringen. Die Verzögerung, die viele unvorhergesehene Gründe hat, ist unerheblich. Das Experiment als solches gelang. Die Meiendorfer Gruppe zeigte mit ihren Blättern, daß eine Originalgraphik so preiswert hergestellt werden kann wie ein Taschenbuch. Das Einzelblatt kostet drei, im Abonnement sogar nur 2,50 DM. Während man für den doppelten Preis kaum ein maschinengedrucktes Plakat erhält, liefert die Meiendorfer Gruppe Handdrucke auf schwerem Saugpapier.

Bei der Motivwahl suchten Böhm und Wohlleben jeweils eine Synthese von Wort und Bild. Der Germanist schrieb kurze Texte oder Gedichte, der Maler fand dazu die passende graphische Gestaltung. Allerdings war dies nur eine Notlösung. Man dachte von Anfang an, den Kreis der Autoren zu erweitern und damit auch jungen Künstlern eine Plattform zu schaffen. Allerdings gingen die Bestrebungen in dieser Richtung nur langsam voran. Neben Böhm gestaltete zunächst Jens Cords einige Graphiken. dann machte der Hamburger Jan Willmes einen Foto-Collagedruck, und der Wolfsburger Gerhard Steindl lieferte sogar Text und Bild.

«Könnten wir besser zahlen», meint Robert Wohlleben, «würde es wahrscheinlich anders aussehen.»

Von Anfang an erkannten die Meiendorfer, daß mit ihrer Aktion keine Reichtümer zu ernten seien. Der Vertrieb der Blätter ist paradoxerweise infolge des niedrigen Preises das schwerste Problem. Ihre Hauptstützen für den Verkauf in Hamburg wurden die Buchhandlung von der Höh und der Möbelhändler Beckmann am Klosterstern. Darüber hinaus sind es Galerien in München, Bochum und Dortmund, in denen die Blätter verkauft werden. Die größte Überraschung für die Meiendorfer war die Tatsache, daß der Kreis, den sie ansprechen wollten, indifferent blieb: Schüler, Studenten und junge Menschen mit schmalem Portemonnaie. Sie, für die diese Bilder gemacht wurden, «konsumieren» lieber teurere Maschinendrucke der Poster-Industrie. Statt dessen erwarben passionierte Kunstsammler die Meiendorfer Blätter und verlangten sogar eine Sonderauflage. Für sie gibt es seit einiger Zeit handsignierte Abzüge auf Büttenpapier für 12 DM bzw. 7,50 DM im Abonnement.

Angeregt durch diese Entwicklung ihrer literarischen Graphik, haben jetzt die beiden Initiatoren mit einer illustrierten bibliophilen Buchreihe «Meiendorfer Drucke» begonnen. Der zweite Band in einer Auflage von hundert Handdruck-Exemplaren mit einem Gedicht von Arno Holz ist unlängst für 20 DM erschienen. Die billigen Blätter sollen aber daneben weiter herausgegeben werden. Man hofft doch noch auf den Erfolg der «Wegwerf-Graphik».

WELT am SONNTAG, Nr. 21, 26.5.1968