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Georg Kerner (1770 – 1812)

Über Georg Kerner

Durch Justinus Kerner lern’ ich nun auch seinen Bruder Georg, den ich in Hamburg doch nicht aufmerksam genug beachtet, näher kennen. Dieses Geschlecht hat eine solche Stärke und Fülle von Anlagen, daß sie verteilt auf die verschiedenen Zweige noch in jedem als besondrer Reichtum erscheinen. (…) Das Lebens Georg’s aber, in die französische Revolution verflochten, ist durch die Frische und Reinheit des Eifers, wie durch Mut und Selbständigkeit des Willens ein so achtungswertes als abenteuerliches Charakterstück; eine deutsche Ehrlichkeitsrolle in den französischen Verhältnissen und Hoffnungen, die wie billig mit dem Ausscheiden des Helden endigt. Geniale Züge bezeichnen diese Bahn von Anfang bis zu Ende; einige derselben habe ich mir besonders aufgezeichnet. Es wäre der Mühe wert, daß dieser Mann sein eignes Leben schriebe, wozu doch seine praktische Rastlosigkeit ihn schwerlich gelangen läßt.

Karl August Varnhagen von Ense (1808)


RobespierreKerner – man müßte ein Buch über ihn schreiben, um ihm Gerechtigkeit widerfahren zu lassen – war der wildeste, biederste Schwabe, den die Erde getragen hat. Einem Kometen zu vergleichen, trug er eine Welt von elektrischem Feuer in sich, das auf der excentrischen Bahn nach allen Seiten ausströmt, hier Leben, dort Verderben bringt und jede Berechnung täuscht. Früh durch sein lebhaftes Naturell nach Paris getrieben, in den ersten Jahren der Revolution, war er ganz als ein Kind dieser wilden Zeit zu betrachten. Mit allen bedeutenden Menschen Frankreichs in Verbindung, halsbrechende Unternehmungen, Gefahren suchend, eben so dreist als schlau ihnen ausweichend, in alle Conspirationen zum Besten der guten Sache verflochten, ein Redner im Jacobinerclub, – dann wieder unter den Schweizern in den Tuilerien fechtend, verfolgt, geächtet, hatte er die Schreckenszeit von Anfang bis zu Ende mitgemacht, ja, ihren Bodensatz gekostet, und dennoch nicht von jenem Volke lassen können, unter das der Durst nach Freiheit ihn getrieben und gehalten. Als Sekretair seines Freundes Reinhard, französischen Gesandten in der Schweiz und in Italien, hatte er in diesen Ländern die Freiheitsmütze aufgepflanzt, an Gefechten rühmlich Theil genommen, war zwischen den Hauptquartieren als Courier umhergeflogen, hatte als Brune’s Begleiter in Holland durch seine Entschlossenheit die berühmte Expedition des Helders zu Schanden gemacht, und war endlich mit Reinhard wieder nach Hamburg gekommen, wo er immer noch auf den Dächern die Freiheit predigte, die sich in Frankreich schon zu verkriechen anfing, und durch unaufhörliche, rasende Courierritte nach und von Paris dem glühenden Feuer Luft zu machen suchte, das ihn innerlich verzehrte.

Johann Georg Rist (1821)


Vergeblich wäre es, wollte ich Dir eine Vorstellung von der allgemeinen Teilnahme geben, die sein Tod erregte. Die seiner Freunde ist erklärlich, aber der Schmerz der Armen, der unteren Volksklassen war grenzenlos. Das Haus war von ihnen überfüllt und mit Gewalt konnte man sie kaum aus der Stube, worin die Leiche lag, entfernen. Sie wollten ihren Wohlthäter nur noch einmal sehen, nur noch einmal seine Hand küssen. Die Furcht vor Ansteckung schreckte sie nicht.

Zwei Tage später, am 9. April, war Kerners Geburtstag. Vom Lande, wohin die Nachricht seines Todes noch nicht gedrungen war, wurden ihm ganze Körbe voll Blumen geschickt. Er erhielt sie alle in seinem Sarg und auf Blumen gebettet ruhte er aus, nach dem schweren Kampf seines bewegten Lebens.

Friederike Kerner, geb. Duncker (1830)