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DAK-Anzeige 1993

 

Der grinsende Vater

Robert Wohlleben
Holstentwiete 1
22763 Hamburg
390 21 73

den 6. Oktober 1993


DAK
Abteilung für Werbung
Postfach 10 14 44
20009 Hamburg

Sehr geehrte Damen und Herren,

nach einem kleinen Nachdenken bin ich drauf gekommen, daß ichs nicht still und achselzuckend hinnehmen sollte, wie Sie mich in Ihrer Anzeige im SPIEGEL vom 30. 8. 93 expropriiert haben.

„... aber berauscht bin ich nur von Dir!“ lautet das Anzeigenmotto. Und das ist aus diesem meiner Gedichte „entlehnt“:

Abends

der Große Himmel
von Curaçao bis Persiko.
Aber besoffen
bin ich von Dir.

Das ist zuerst 1978 bei Goldmann in der Sammlung „Mit gemischten Gefühlen“ – später „Lyrik-Katalog Bundesrepublik“ – erschienen, 1979 bei Rowohlt titelgebend in der Sammlung „Aber besoffen bin ich von dir“ (rororo 4456). Diverse Veröffentlichungen folgten nach ... aber damit ist das Gedicht noch nicht vogelfrei!

Die Bearbeitung für die Anzeige stellte lediglich mein umgangssprachliches „besoffen“ ohne Bedeutungsänderung aufs gehobene „berauscht“ um, fügte ein bei mir schon gemeintes, aber überflüssiges „nur“ und ein emphatisches Ausrufungszeichen ein, wie es nicht meine Art wäre. – Unpassenderweise wurde meine Großschreibung des Pronomens „Dir“ unverändert übernommen und nicht in Kleinschreibung geändert (wie es für den Rowohlt-Titel umsichtig geschah): Das großgeschriebene Du stammt aus einem Brief und gehört nicht in einen gesprochenen Text, wie die in Ihrer Anzeige angedeutete Situation ihn verlangt. – Nu, ich will nicht weiter in literarische Kritik abschweifen.

Die „Message“ Ihrer Anzeige kann ich nur rundherum gutheißen. Aber nicht Ihren Umgang mit meinem „geschützten“ Text. Keine Bange: Klagen werde ich gewiß nicht. Ich bin aber entschieden der Ansicht, mir steht genauso Honorierung zu wie dem in der Anzeige mitspielenden Photographen.

Ich erbitte also ein Honorar von 500 Mark für meinen Beitrag zu Ihrer Anzeige. – In Anbetracht der Dimension des Anzeigenauftrags wohl ausgesprochen mäßig.

    Mit freundlichen Grüßen

    Robert Wohlleben
     

Daraufhin schrieb mir Elisabeth Wighton von der Werbeagentur DMB&B:

Als Art-Buyer von DMB&B bin ich neben anderem für den Einkauf von Copyrights der diversen Bild- und Textdokumente verantwortlich, die mal bearbeitet und mal pur in unsere Werbeaktionen übernommen werden.

Ich bitte Sie: Seien Sie unseren Kreativen nicht gram! Klar, die lesen irgendwo einen Text und dann, meist in finsterer Nacht nach einem Zwölf-Stunden-Tag in der Agentur, reißt es sie dann hin und sie schaffen Innovatives. Und dann meinen sie natürlich, sie hätten das Baby nicht nur geboren, sondern auch gezeugt!

Mir war, als man mir diesen Text vorlegte, auch nicht klar, daß es sich um einen »Satzklau« handeln könnte, sondern ich dachte, daß man den englischen Song »I get my kicks out of you« elegant ins Deutsche übersetzt habe. Keine Warnleuchten gingen bei mir an!

Egal nun. Sie haben natürlich recht, meine Kreativ-Mädels haben Ihren Text wohl gesehen und »weiterbearbeitet«, da gibt’s kein Vertun.

Bitte schreiben Sie uns doch eine Rechnung über die DM 500, denn ohne Rechnung geht hier gar nichts! Ich kümmere mich dann darum, daß Sie Ihr Geld bekommen.

500 Mark für 30 Zeichen ... derart viel Texthonorar steht in meinem Erleben einzig da. Das entspräche einem Tausend-Zeichen-Preis von ... Eine gewisse Dankbarkeit also der kreativen Kryptomnesie gegenüber.

Der grinsende Vater

Robert Wohlleben
Holstentwiete 1
22763 Hamburg
390 21 73

den 14. Oktober 1993


DMB&B
– Frau
Elisabeth Wighton –
Postfach 30 36 28
20312 Hamburg

Liebe Elisabeth Wighton!

Nee ... gram bin ich Ihren Kreativen nicht. Hab ja selbst schon für meine Gedichte geklaut. Wissent- wie unwissentlich. Eher könnt der Klau jetzt mir ein Grund sein, kritisch drüber zu nachgrübeln, was denn da meinen Text Abends so „griffig“ hat geraten lassen ...? Daß er mit der Zwischenstation Brigitte-Kalender schließlich „in der Werbung“ gelandet ist!

Auf solcherlei Grübelei laß ich mich nicht ein. Das Gedicht hätt ja damals, vor 18 Jahren, nicht anders zustande kommen können: Einen extremen Sonnenuntergang vor Augen, hab ichs mit Bleistift einem schon zugeklebten Brief auf die Rückseite notiert. (Einer Abgereisten hinterher.) Zu wissen: Die seinerzeitige Mansardenwohnung stellte mir fast den ganzen Himmel zur Verfügung.

Unter meinen Gedichten ist Abends fast einzig, wie es so ungehinderten Zutritt zu gestatten scheint ... obwohl nicht trickfrei. Das ist sonst wohl anders, nu. Auf Lesungen hab ich hin und wieder meinen Gedichten hinterher angemerkt, daß Deutsch als Fremdsprache mein Job ist: sicherer Lacher. (Geht nun nicht mehr, mit der Sprachschule frisch im Konkurs.)

    Mit freundlichen Grüßen!

    Robert Wohlleben
     

 

 

 

Remington-Anspitzer

 

Robert Wohlleben bei fulgura frango

 

 



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