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James Fenimore Cooper:
Die Monikins. 14. Kapitel


Kunstvolles Manövrieren — Gassenlaufen per Schiff — Freies Wasser gewinnen — Ein neuartiges Preßdock sowie Meilensteine

Captain Poke

(Auszug)


Beim Schlag nach Süden waren die Eisberge nun gänzlich verschwunden, doch so weit das Auge reichte, war die See mit Eisfeldern bedeckt. Noah behielt bedenkenlos den Kurs bei, denn seit wir in die erste Öffnung einfuhren, war die See die ganze Zeit glatt, da der Wind nicht stark genug war, um eine Dünung zu erzeugen. Als das Schiff auf ungefähr eine Meile an den Rand der gefrorenen und sich scheinbar endlos erstreckenden Fläche heran war, wurde es an den Wind gebracht und beigedreht.

Seit das Schiff aus dem Hafen ausgelaufen war, hatten zwischen den Ersatzspieren die ganze Zeit auch sechs Garnituren Langhölzer von so eigentümlicher Form gelegen, daß sie öfters Gesprächsthema zwischen den Steuerleuten und mir waren, aber keiner von ihnen wußte etwas über den Verwendungszweck zu sagen. Diese Hölzer aus fester englischer Eiche waren mit äußerstenfalls gut fünfzehn Fuß nicht besonders lang. Zwei oder drei Paare Hölzer waren gleich – sie waren nämlich paarig verbunden. Jedes Paar hatte an einer der Seiten ein Profil, das jeweils verschiedenen Bereichen des Schiffsbodens glich, davon abgesehen, daß sie im ganzen konkav waren, während der Boden eines Schiffes im wesentlichen konvex ist. Jedes Paar war am einen Ende fest mit einem kurzen, massiven Eisengelenk von etwa zwei Fuß Länge verkoppelt, und am entgegengesetzten Ende war ein großer Augbolzen in jedes Holz getrieben und sicher verkeilt. Als die »Walrus« jetzt keine Fahrt mehr machte, wurden wir endlich über den Zweck dieser ungewöhnlichen Vorkehrungen aufgeklärt. Ein Paar der Hölzer, die große Kompaktheit und Festigkeit aufwiesen, wurde über das Heck hinabgelassen, und als es tiefer als der Kiel war, wurden die oberen Enden mittels in die Augbolzen eingeschorener Taljereeps auseinandergezogen. Die Taljereeps wurden sodann zur breitesten Stelle des Schiffes vorgeholt, wo mit ihrer Hilfe die Hölzer so angehoben wurden, daß das Gelenk an den Loskiel kam und die beiden Hölzer glatt am Rumpf anlagen. Da man sowohl mittels Markierungen am Schiff als auch bei der Gestaltung der Reibhölzer große Sorgfalt hatte walten lassen, war die Passung perfekt. Nicht weniger als fünf Paare wurden an und nahe der stärksten Rumpfwölbung befestigt und ebenso viele weitere entsprechend der Form des Schiffsbodens vorn und achtern verteilt. Sodann kamen Querholme, die von einem Reibholz zum nächsten reichten, zwischen die Reibhölzer im Bereich der Kimm, von denen jeder mit einer Reihe sich nach oben und nach unten erstreckender Rippen versehen war. Diese Querholme wurden entlang der Wasserlinie angebracht. Die Enden griffen mit Zapfen in die Reibhölzer, stramm in den Zapfenlöchern verbolzt. Resultat des ganzen Arrangements war, dem Schiff mittels einer Art hölzernen Gitterwerks einen Außenschutz gegen das Treibeis zu geben. Das Ganze war auf der Werft so akkurat zugerichtet worden, daß es gleichmäßig auf den Spanten auflastete. Um zehn Uhr am folgenden Morgen waren diese Vorbereitungen kaum abgeschlossen, als Noah direkt auf eine Öffnung im Eis zuhielt, die gerade zu diesem Zeitpunkt voraus sichtbar wurde.

»Von wegen unserer Armierung machen wir nicht so viel Fahrt«, bemerkte der bedächtige alte Robbenfänger, »doch was uns an Schnelligkeit fehlt, machen wir durch Ausdauer wett.«

Den ganzen Tag lang steuerten wir mit viel Mühe und mit unregelmäßigen Schlägen unseren gewundenen Südkurs. Zur Nacht machten wir die »Walrus« an einem Eisfeld fest und warteten auf die Wiederkehr des Lichtes. Doch gerade, als es dämmerte, hörte ich ein fürchterliches Knirschen an der Bordwand, und als ich an Deck eilte, sah ich, daß wir gänzlich zwischen zwei riesigen Packeisfeldern gefangen waren, die anscheinend zu keinem anderen Zweck zueinander gezogen wurden, als uns zu zerquetschen. Hier nun offenbarte Captain Pokes Vorkehrung ihren Sinn. Von den massiven Hölzern und den Außenrippen geschützt, widerstand der Bauch des Schiffes dem Druck, und da unter solchen Umständen irgendetwas einfach nachgeben mußte, wurde zum Glück bloß die Wirkung der Gravitation überwunden. Dank ihrer Schrägstellung wirkten die Reibhölzer wie Keile, als die Gelenke auf den Kiel drückten, und im Laufe einer Stunde wurde die »Walrus« infolge des starken Treibeisdruckes allmählich aus dem Wasser gehoben, wobei sie ihre aufrechte Stellung beibehielt. Kaum war dies Experiment erfolgreich vollbracht, als Mr. Poke aufs Eis hinuntersprang und mit einer Inspektion des Schiffsbodens begann.

»Da haben Sie mal ein Trockendock, Sir John!«, rief der alte Robbenfänger und lachte stillvergnügt in sich hinein. »Sofort wenn ich wieder in Stunin'tun an Land geh, laß ich mir da ein Patent drauf geben.«

(Anmerkung des Übersetzers)

Cooper’s version

James Fenimore Cooper:
Die Monikins. Eine Mär
Übersetzt von Robert Wohlleben
Herausgegeben und per Nachwort kommentiert
von Christian Huck

Achilla Presse

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Rechte an der Übersetzung bei Robert Wohlleben