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Neue Altersfreuden

Wenn ich mal alt bin,
bin ich
ein bleiches Faltenröckchen,
dann trag ich Ringelstrümpfe
und dreh mir weiße Löckchen.
Mit Stumpen in den Wülsten
der bartverhangenen Lippen
will ich mit hellem Krächzen
Gebäck in Kaffee stippen.

Wenn ich mal alt bin,
bin ich
ein indienschwarzer Rabe
und pick in die Papaya,
wenn ich kein Reisbrot habe.
Dann spreiz ich mein Gefieder,
daß so die Fetzen fliegen,
und schau, wie die Touristen
den Flotten Otto kriegen.

Wenn ich mal alt bin,
bin ich
eine Hibiskusblüte,
bis an den Rand voll Vipern,
des Knaben Wundertüte.
Fall irgendwann vom Stengel,
weil mich ein wilder Affe
mit seinem roten Hintern
zu sehr gestreichelt hatte.

Wenn ich mal alt bin,
bin ich
das Glück in meinen Wunden,
hab Chilli auf der Zunge
und heißen Durst empfunden.
Dann schmelz ich jeden Eisfilm,
der frech sich an mich traut,
bis klirrend mich der Nordwind
getrost vom Sockel haut.

Wenn ich mal alt bin,
bin ich
zerfleddert und zerrissen
von Gicht und Knochenfingern,
die immer grabbeln müssen.
Dann beiß ich fauchend um mich
und gröhle wie ein Wildschwein
und trete dummen Malern
ins schöne bunte Bild rein.

23. Januar 1982
Thekkady, Kerala, Indien



Wolfgang Uster

Meiendorfer Druck Nr. 12
(1988)

Wolfgang Uster
Dschungelkummer
Graphik von Oliver Böhm

SIGNUM-Typographie: Alfons Teschau
16 Seiten Oktav ohne Umschlag (300 Exemplare)

(Rechte natürlich bei den Meiendorfer Drucken)