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Vergnügen für Verstand und Witz
Meiendorfer Beiträge


Graphik von Frank Böhm


Das Zusammenspiel von Urbanität und Provinz, von Zivilisation und Mief, von Milieu und Kunst - man kann es beobachten im Münchner Schwabing, am Berliner Kreuzberg und anderswo. Mancher mag einen Zusammenhang zwischen Hamburg und Pöseldorf konstruieren, Pöseldorf jedoch droht Konkurrenz von der Hamburger Peripherie. Seit einiger Zeit bereits erscheinen im Rahlstedt eingemeindeten Meiendorf die «Meiendorfer Beiträge zum Vergnügen des Verstandes und Witzes», großformatige Blätter, die ihren Reiz aus der Spannung von literarischem Text und graphischem Parallel- oder Gegenmotiv beziehen.

Der kecke, historisierende Titel spielt parodierend auf die «Bremer Beiträge» des 18. Jahrhunderts an, in denen beispielsweise 1748 die ersten drei Gesänge des Klopstockschen «Messias» erschienen sind. Aber Text und Graphik der «Meiendorfer Beiträge» sind durchaus nicht retrospektiv, sie huldigen nicht einem unverbindlichen literarischen Ornament. Inzwischen sind ein Dutzend der wohlfeilen Blätter erschienen, mit Texten von Holz und Grimm, von Klopstock, von Robert Wohlleben und Ulrich Krause. Unterschiedlich in der Qualität, haben einige durchaus den Verstand und Witz, den der Titel verspricht. Das Vergnügen stellt sich dann von selbst ein.

Die beiden Hausgraphiker aus Meiendorf, Frank Böhm und Jens Cords, eröffnen auch die Reihe der «Meiendorfer Drucke», denen ein Hauch von Exklusivität anhaftet. Die Auflage ist begrenzt auf 100 numerierte Exemplare (den Vertrieb übernahm der Damokles Verlag Ahrensburg); wer aber die 20,- DM für ein Heft zu opfern bereit ist, den erwarten Überraschungen. Improvisation und gediegenes Handwerk geben sich da ein Stelldichein, reklamewirksame Perfektion ist verpönt, das «Material» darf triumphieren. Texte und Zeichnungen wurden im Siebdruck vervielfältigt, gedruckt wurde bei Jens Cords.

Der erste Band vereinigt unter dem Motto «Spielarten des Lichts» zwölf Gedichte Robert Wohllebens mit zwölf Zeichnungen von Frank Böhm, im zweiten gibt Jens Cords zeichnerische Variationen zu den wuchernd-frechen Sprachspielen aus dem «Phantasus» des Arno Holz: «Kräckerakra». Während Böhm sich seinen Versen noch thematisch verpflichtet weiß, kann sich Cords getrost dem Strom der Holzschen Sprachphantasie anvertrauen. Der Betrachter tut desgleichen und begibt sich kaum widerstrebend in den Strudel der Worte und Linien. Dann aber läßt sich auch mit dem Meiendorfer Robert Wohlleben wieder «gut auf einem Bein stehen, unterm ungestörten Himmel». Und ein nicht ganz ungefährliches Lied anhören:

    Horch, liebe Suse,
    im Radio raschelt,
    gut zu empfangen,
    ein Vöglein Roch,
    legt ein sehr weißes
    bewohnbares Ei,
    braucht keine Schuh,
    frißt sie nicht mit.

Heinz Klunker
Deutsches Allgemeines Sonntagsblatt, Nr. 45, 5.11.1967