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Klaus M. Rarisch:
Offener Brief
an den Deutschen Literaturfonds e. V.

Berlin, 21. März 1988

Sehr geehrter Herr Dr. Dette –:

Vor einiger Zeit erhielt ich Ihr umfangreiches Buch »Der Deutsche Literaturfonds – Dokumentation eines Fördermodells«. Als indirekt Betraffener gestatte ich mir, diese aufschlußreiche Selbstdarstellung zu kommentieren.

Die anonym abgedruckten Antragsbriefe und Reaktionen der abgelehnten Bewerber sind der beste Teil des Buches und hätten Sie eigentlich zum Nachdenken über Ihre Förderungskriterien veranlassen müssen. Daß Sie die Stellungnahmen der mit vollem Recht Empörten, weil ohne Begründung Abgelehnten, trotzdern ungeniert veröffentlicht haben, zeugt von der Selbstherrlichkeit Ihrer Institution und von der verbissenen Entschlossenheit, sich auch durch die überzeugendsten Argumente nicht im geringsten irritieren zu lassen. Die maßlose Eitelkeit Ihrer Entscheidungsgremien erblicke ich in dem unscheinbaren Nebensatz (S. 31),

    daß bisher kein förderungswürdiges Werk im Kuratorium und Lektorat »unentdeckt« geblieben ist.

Diese ebenso vollmundige wie unkontrollierbare Behauptung bedeutet im Klartext: sämtliche abgelehnten Manuskripte sind nach Ihrer Meinung ausnahmslos minderwertig! Darnit wird auch das Manuskript meines Gedichtbandes »Das gerettete Abendland« diskriminiert. Mein Verleger, Robert Wohlleben in Hamburg, hatte dafür bei Ihnen einen – übrigens relativ geringfügigen – Druckkostenzuschuß beantragt; der Antrag war ausführlich begründet und mit einer exakten Kalkulation untermauert. Mit Schreiben vom 11.12.1981 haben Sie in dürren Worten den Antrag zurückgewiesen. Aus Ihrem Buch geht hervor, daß Sie offenbar noch stolz darauf sind, unter dem Vorwand der Arbeitsüberlastung Ihre Ablehnungen prinzipiell nicht zu begründen. Sie tendieren dazu, möglichst wenige Druckkostenzuschüsse zu vergeben, obwohl Sie dabei doch komplette Buchmanuskripte prüfen können, anstatt wie bei Stipendien auf Mutmaßungen und Prognosen über die eventuelle Qualität der geforderten Projekte angewiesen zu sein. Es stellt sich zwingend die Frage, warum Sie trotzdem kaum Druckkostenzuschüsse gewähren. Dazu heißt es (S. 63), entsprechende Anträge würden überwiegend gestellt

    von Kleinverlagen, die noch ihr Profil suchen und die Verbreitung der Werke irn Sinne der Literaturvermittlung nicht sicherstellen können.

Wenn denn schon nicht nur Autoreifen und Politiker Profil und Profilierung haben sollen, sondrrn auch Verlage, frage ick Sie, ob etwa der Verlag ihres an erster Stelle genannten Kuratoriumsmitglieds Heinrich Maria Ledig-Rowohlt ein litararisch anstatt kommerziell orientiertes Profil besitzt. Ferner wäre es interessant zu erfahren, was Herrn Ledig-Rowohlt eigentlich dazu motivieren sollte, Bücher zu fördern, die nicht in seinem eigenen, sondern in einem fremden Verlag erscheinen sollen, sich also selber Konkurrenz zu machen. Wem fiele da nicht die Redensart vom Bock und vom Gärtner ein? Sie tun so, als ob, wenn es auf die Sicherstellung der Verbreitung ankäme, die geförderten Großverlage überhaupt noch eine Förderung brauchten! (Was den Großverlagen selbst übrigens klar sein muß, sonst würden sie ja ständig Anträge einreichen.) Ihre Grundtendenz geht aus dem Abschnitt über die Bücher hervor, die mit Hilfe Ihrer Stipendien publiziert bzw. im Manuskript abgeschlossen wurden (S. 62):

    Der Literaturfonds betrachtet diese Zahlen zu Recht als Beleg dafür, daß nicht »am Markt vorbei gefördert« wurde.

Demnach werden in allererster Linie marktkonforme Projekte unterstützt, also solche, die einer Förderung gerade nicht bedürften. Mit andern Worten: Ihr Fonds fördert nicht die Literatur, sondern den Markt, ist also eine Hilfsorganisation der bundesdeutschen Literaturmafia. Das lassen Sie sich dann noch stolz von den Arbeitsberichten der Stipendiaten bestätigen, z. B. wenn Ror Wolf über sein Projekt lapidar schreibt (S. 76):

    Veröffentlichungsprobleme gibt es nicht.

Hätte dagegen beispielsweise ich (was ich, instinktiv gewarnt, allerdings unterlassen habe) für meine Arbeit als Lyriker und Essayist ein Stipendium beantragt, würde der Fonds bei mir höchstwahrscheinlich »Veröffentlichungsprobleme« vorausgesehen und den Antrag deshalb abgelehnt haben. Übrigens wäre diese Prognose falsch gewesen: Mein Gedichtband »Das gerettete Abendland» ist später ohne Ihre Hilfe dennoch erschienen (1982 im Wissenschaftlichen Verlag A. Lehmann in Gerbrunn). Ich schreibe Ihnen also nicht etwa aus dem Neid des Zukurzgekommenen, sondern um zu zeigen: Es gibt, leider allzu selten, noch Chancen für nicht marktkonforme Autoren, an Ihrer Förderung vorbei zu publizieren.

Offenbar wollen Sie von den Bewerbern geradezu bedrängt werden, denn Sie versäumen nicht darauf hinzuweisen, wie leicht und formlos die Autoren Anträge stellen könnten und daß sie es im Ablehnungsfalle durchaus wiederholen sollten. Darin drückt sich Ihre Tendenz aus, erstens die Entscheidungskriterien ganz bewußt im Vagen zu belassen, sonst müßte sich doch jeder Abgelehnte sagen: Ein für allemal – »versungen und vertan«. Zweitens machen Sie sich einen Spaß daraus, die Autoren in die Rolle des Bittstellers und Almosenempfängers zu drängen. Diese Haltung ist für eine aus Steuergeldern finanzierte Institution durchaus unangemessen und kann nur so lange praktiziert werden, wie nicht der Anspruch auf Förderung als subjektiv-öffentliches Recht für jeden qualifizierten Schriftsteller gesetzlich verankert ist.

Äußerst dubios ist auch das Verfahren bei Ihren Kranichsteiner Literaturtagen; es wird ja auch in etlichen abgedruckten Presseberichten überzeugend kritisiert. Das verfehlte Procedere liegt vor allem in der mafia-artigen Vorauswahl der zu lesenden Texte durch Ihre Gremien. Das »Darmstädter Echo« vom 23.9.1985 hat das klar erkannt (S. 183):

    Warum lädt man die … Stipendiaten nicht einfach zu Lesungen nach Darmstadt ein, zahlt ihnen ein ordentliches Honorar (nebst Spesen) und läßt sie das vortragen, wornit sie selbst glauben, Leser überzeugen, nachdenklich stimmen, erfreuen oder gar unterhalten zu können?

Ja, warum eigentlich nicht??? Weil dann passieren könnte, was offenbar verhindert werden soll: daß ein nicht mafiahöriger, nicht marktkonformer Autor Anklang findet.

      Mit vorzüglicher Hochachtung
           Ihr sehr ergebener
                Klaus M. Rarisch


 

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