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«Carl zum Felsen»
Vorgeschichte und Gründung der Altonaer Loge
Tätigkeit einiger ihrer Brüder bis zum Jahre 1800
Von Hans-Werner Engels

Die Entstehung dieser Loge ist ein sehr bedeutendes Kapitel der Freimaurerei in Hamburg und Altona.

Die letzten zwei Jahrzehnte des achtzehnten Jahrhunderts waren die klassische Epoche dieser Bewegung in Deutschland. Keineswegs war sie einheitlich und es warben verschiedene Richtungen um Gunst und Mitglieder. Zu den mystischen zählten etwa die Rosenkreuzer, die besonders durch ihren Einfluss auf Friedrich Wilhelm II. von Preußen von sich reden machten. Zu den radikalen, der Aufklärung verbundenen Geheimbünde, gehörten die Illuminaten. Sie wurden zu Unrecht als die Urheber der Französischen Revolution bezeichnet. Eine mittlere Position bildeten die Freimaurer im engeren Sinne. Über ihre Ziele hat Friedrich Ludwig Schröder, der bedeutende Schauspieldirektor und Theoretiker der Bewegung, geschrieben: «‹Die Mry (=Maurerei) soll das Band der Eintracht und des gegenseitigen Wohlwollens zwischen Menschen werden, welche sonst durch Religionsbegriffe, Erziehungsvorurtheile oder Nationalverhältnisse in einer ewigen Entfernung leben würden.› Man denke reiflich nach, was alles in diesen Worten liegt, so wird man deutlich finden, das die Mry das bewirken soll, was weder der Staat noch die Kirche bewirken kann. Welcher Zweck kann größer seyn!» [1]

Fast alle Gründungsmitglieder der Altonaer Loge «Carl zum Felsen» waren vorher in der Hamburger Loge «Ferdinand zum Felsen». Sie und ihre Vorläufer waren die ersten Logen in Deutschland, die auch vorübergehend Juden in ihre Reihen aufnahm. Installiert wurde sie am 12. Januar 1788 durch den Altonaer Oberpräsidenten Sigismund Wilhelm von Gähler. Ihr Entstehen und ihre Tätigkeit ist wesentlich bestimmt durch Hans Karl von Ecker und Eckhofen (1754-1809). Er und sein älterer Bruder Hans Heinrich zählen zu den schillerndsten Gestalten in der Geschichte der Geheimbünde. Der jüngere lebte seit 1775 als nicht sehr erfolgreicher Advokat in Hamburg. 1778 hatte er schon ein Theaterstück «Die Freimaurer im Gefängnis» geschrieben und es Friedrich Ludwig Schröder überreicht. Er gründete 1783 die Winkelloge «Zum flammenden Stern», welche wohl als erste Loge in Deutschland Juden aufnahm. 1785 erhielt die Loge den Namen «Loge zum glänzenden Felsen», um dann «Ferdinand zum glänzenden Felsen» genannt zu werden. Als sie nur die Konstitution vom Herzog Ferdinand von Braunschweig erhalten sollte, unter der Voraussetzung, dass keine Juden aufgenommen werden dürfen, veröffentlichte er die für seine Zeit revolutionäre Schrift «Werden und können Israeliten zu Freimaurern aufgenommen werden» (1788). Er eröffnete damit eine Auseinandersetzung, welche damals in zahlreichen Veröffentlichungen weiter diskutiert wurde. [2]

Hans Karl von Ecker und Eckhofen war zudem «Gesellschafts-Kavalier» des Herzogs Ferdinand von Braunschweig (1721-1792) und wusste sich auch bei Karl von Hessen beliebt zu machen. Der Herzog Ferdinand war damals General-Großmeister der Vereinigen Logen Deutschlands und der Landgraf Karl von Hessen Kassel (1744-1836) war neben seinem Amt als dänischer Feldmarschall zuerst Provinzial-Großmeister dieser Logen und dann Nachfolger des Herzogs von Braunschweig.

Das Schlitzohr und der Abenteurer Hans Karl von Ecker und Eckhofen ging 1792 mit der Kammerjungfer und den Effekten seiner Frau durch und floh in seine Heimat Bayern, wo er in Bamberg privatisierte und noch einmal auffiel, als der englische Seeheld Admiral Horatio Nelson seinem «erhabenen und weltberühmten Joachims-Orden» - so nannte er ihn einmal - beitrat.

In Hamburg hatte er auch gewirkt als Oberer der «Asiatischen Brüder» oder vielmehr der «Orden der Ritter und Brüder St. Johannis des Evangelisten aus Asien und Europa». Diese Verbindung, von seinem Bruder Hans Heinrich von Ecker und Eckhofen gestiftet, nahm auch Juden auf. Ihr Gründer konnte in Wien und Berlin von den Aufnahmegebühren gut leben. [3] In Hamburg gab es eine Obermeisterschaft und der Loge gehörten sechs Juden an. Die Brüder tagten im Hause von Friedrich Wilhelm von Schütz, der aber der Ansicht war «daß die ächte Maurerei dergleichen Possenspiel nicht gutheißen könne und daß derjenige ein gutes Werk stifte, der an dem Sturz solcher Luftgebäude thätig mit arbeiten helfe». [4]

Auch Friedrich Wilhelm von Schütz [5] zählte zu den aktiveren Brüdern der Loge «Ferdinand zum Felsen» Bereits am 12. März 1788 war er in den Vorläufer dieser Loge «Zum glänzenden Felsen» beigetreten. Bei der Einweihung eines neuen Logensaals der Loge «Ferdinand zum Felsen» hielt er als Redner 1790 den Vortrag «Was ist, oder vielmehr, was soll die Maurerey für uns seyn?» Im selben Jahr gab er einen «Versuch einer vollständigen Sammlung Freimaurer-Lieder zum Gebrauch deutscher Logen» heraus. Zu den Subskribenten zählen auch sechs Persönlichkeiten der später etablierten Loge «Carl zum Felsen». Schütz wurde in den nächsten Jahren zu einem begeisterten Anhänger der Prinzipien der Französischen Revolution und von konservativen Zeitgenossen als deutscher Jakobiner diskriminiert. Bis zu seinem Tod war er ein äußerst vielseitiger Publizist und Schriftsteller.

Schütz entstammte dem sächsischen Adel und wurde 1756 in Erdmannsdorf bei Chemnitz geboren. Dann studierte er 1777-1779 Jurisprudenz in Leipzig. Bereits am 23. Mai 1779 war er in die Loge «Ferdinand zur Glückseligkeit» in Magdeburg eingetreten. Er reiste durch Deutschland, Frankreich und England und ließ sich 1787 im dänisch verwalteten Altona nieder. Nach dem Tode seines Vaters erwarb er 1793 ein Landgut in Hoisbüttel und lebte nach dessen Verkauf von 1797-1805 auf einer Landstelle in Othmarschen. Während dieser Zeit war er auch dem «Altonaer-Nationaltheater» verbunden und inszenierte in seinem Haus Liebhaberaufführungen. 1816 verließ er seine Wahlheimat und lebte bis zu seinem Tode in Zerbst.

Mit der Altonaer Loge «Carl zum Felsen», zu deren Meister er 1813 und 1814 gewählt wurde, war er in vieler Hinsicht schon vor seiner Aufnahme verbunden. Zu den Gründungsmitgliedern zählte sein Stiefsohn, der Verleger Johann Friedrich Bechtold. Sein Sohn Adolph Friedrich von Schütz, Buchhändlerlehrling geb. 13.12. 1781 in Leipzig trat am 7. April 1803 in die Loge ein. Ein weiterer Sohn Carl Heinrich von Schütz trat als Lufton am 7. Juli 1814 in die Loge ein.

In der zweiten Auflage seiner «Freimaurer-Lieder», die 1800 bei seinem Stiefsohn Bechtold erschien, finden sich im Subskribentenverzeichnis namentlich fast zwanzig Brüder der Loge «Carl zum Felsen». Explizit dankt er im Vorwort einigen Brüdern «der Altonaer Loge Carl zum Felsen, die mir sehr gute und zu meiner Absicht brauchbare Lieder geliefert» [6] haben und sich somit um das maurische Publikum verdient gemacht hätten.

Warum trat Friedrich Wilhelm von Schütz damals nicht selbst in die Loge «Carl zum Felsen» ein? Dies lässt sich erklären. Einerseits blieb er weiterhin der Loge «Ferdinand zum Felsen» treu, die er erst 1812 verließ. Zudem war er schon 1792 Mitbegründer der christlich-jüdischen Vereinigung «Einigkeit und Toleranz». Diese «Winkelloge» entstand bewußt als Nachfolgeorganisation der von Hans Karl Ecker und Eckhofen gegründeten Logen und bot eine Alternative zu den «Asiatischen Brüdern.» Meister vom Stuhl war der jüdische Bankier Elias Israel. [7] Schütz schreibt später darüber: «Ein jüdischer Kaufmann, dem es weder an äußerer noch an wissenschaftlicher Bildung fehlte, stellte sich an die Spitze dieses maurerischen Vereins, an langweilige Ceromonien war nicht zu denken, herzergreifend waren die Feierlichkeiten, strenge Ordnung herrschte ohne Pedanterie, und die Vorträge selbst waren, sowohl in moralischer als geschichtlicher Hinsicht, eben so belehrend als unterhaltend.» [8]

Eine andere Quelle schreibt über den Zweck der Verbindung:

    Sie beschäftigt sich daher blos mit Veredlung des Menschen, mit Aufklärung und Befreiung von allen dem menschlichen Geschlechte schädlichen Vorutheilen, von allen den Geist entehrenden Fesseln, und mit der Uebung derjenigen Tugend, die immer eine Tochter der wahren Weisheit ist. Alles, was irgend zu diesem Zweck führen kann, ist unsre Arbeit. Rosenkreuzerei, Alchymie, Geisterseherei und wie die Narrenpossen weiter heissen, sind ferne von uns, und alles Forschen nach verborgenen Geheimnissen wird von uns verlacht. [9]

Friedrich Ludwig Schröder erwähnte diese Vereinigung; sie war ihm auch darum ein Dorn im Auge, weil sie von seinen Idealen abwich und vor allem auf Zeremonie weitgehend verzichtete. Entrüstet schreibt er in seinen «Materialien zur Geschichte der Freimaurerei»:

    Durch Sieveking, Albrecht und Radike und andere unterstützt, welche sogar an dem Stiftungstage zugegen waren, wurde dort sehr ernsthaft über die damahligen Modewörter, Freiheit, Gleichheit, unveräußerliche Menschen-Rechte gepredigt. [10]

«Einigkeit und Toleranz» bestand mindestens bis zum Jahre 1807. Zu den Aktivitäten dieser Verbindung zählt eine Spende für ein Lessingdenkmal und die Gründung einer erfolgreichen jüdischen Armenschule in Hamburg.

* * *

Die Sozialstruktur der Loge «Carl zum Felsen» war nicht homogen. Ihr Historiker Carl Bröcker zählte 1801 von den etwa 90 Brüdern 29 Schiffskapitäne, 16 Geschäftsleute, 14 Kaufleute und etwa 15 Angehörige aus akademischen Berufen. [11] Vom Einkommen her zählen die Brüder zum mittleren und gehobenen Bürgertum. Fast alle waren Altonaer Bürger. Die meisten waren lutherischen, einige katholischen und reformierten Glaubens. Jüdische Mitbürger wurden nicht aufgenommen.

Andere Aufschlüsse gewinnt man, wenn andere Kategorien beachtet werden, so die persönlichen Beziehungen der Brüder, auch außerhalb der Logenarbeit. Wichtig für diese Tatsache ist etwa der erste Logenmeister Johann Heinrich Kaven (1761-1800) der von 1796 bis zu seinem frühen Tod diese Funktion ausübte. Als Buchhändler wird er wohl mit seinen Kollegen Johann Friedrich Bechtold und Joachim Michael Ritter auch außerhalb der Loge Kontakt gehabt haben. Im Hause des Buchdruckers Richter (Große Freiheit 18) arbeitete die Loge in den ersten Jahren. Kaven wurde in Ploen geboren, hatte einen Verlag in Leipzig und kam wahrscheinlich wegen der verschärften Presse- und Buchzensur 1790 ins dänisch verwaltete Altona. Dort herrschte bis 1799 eine fast völlige Pressefreiheit. Sein Verlagsprogramm war bemerkenswert; wie andere Altonaer Verlage vertrieb auch er Publikationen, die in anderen deutschsprachigen Ländern schwerlich eine Druckerlaubnis erhalten hätten. So verlegte er die Schriften des Professors und Schriftstellers Karl Friedrich Cramer, der wegen seiner Ansichten von seiner Professur in Kiel entlassen wurde und sich 1795 nach Paris begab. Auch der Dichter Friedrich Klopstock wurde in seinem Verlag gedruckt.

Bei Kaven erschien zudem die Zeitschrift «Journal der neuesten Weltbegebenheiten» seines Logenbruders Joachim Lorenz Evers. Obgleich über den Goldschmied Evers relativ viele Quellen vorliegen und er für die Loge «Carl zum Felsen» kaum zu unterschätzen ist, hat man sich mit seiner Person und seinen Schriften bisher wenig beschäftigt.

Evers wurde 1758 in Altona geboren und erlernte das Goldschmiedehandwerk. Über seine weitere Ausbildung ist wenig bekannt und er wird als Autodidakt bezeichnet. Am 3. Juni 1790 trat er der Loge «Ferdinand zum Felsen» bei, erhielt 1792 den zweiten und dritten Grad und übernahm seit 1794 die Stelle eines Redners. 1794 trat er beim Johannisfest mit einer Rede hervor. Er verfasste zudem einen «Chorgesang für die festliche Tafel der Loge Ferdinand zum Felsen bei ihrer Vereinigung mit den Logen des Niedersächsischen Kreises unter der Engl. Provinzial-Loge in Hamburg den 15ten Juny 1795.» Er war Gründungsmitglied der Loge «Carl zum Felsen» und zum deputierten Meister gewählt. 1800 und 1801 hatte er das Amt des Redners inne. Evers war auch als Verleger und Theaterdirektor tätig. Er starb am 2. 11. 1807 - ein Zeugnis spricht von Selbstmord.

Seit 1790 war er auch Schriftsteller und schrieb vor allem über die Ereignisse der Französischen Revolution, so eine Biographie der guillotinierten französischen Königin Marie Antoinette. Zwischen 1793 und 1795 verfasste er eine «Geschichte der Französischen Revolution» als «Ein Lesebuch für unpartheyliche Weltbürger», das Friedrich Bachmann und Johann Heinrich Gundermann verlegten, die übrigens der schon erwähnten Winkelloge «Einigkeit und Toleranz» angehörten und auch Bücher Friedrich Wilhelm von Schütz drucken ließen. Dieses dreibändige Werk, das die Revolution und ihre Forderungen begrüßt, aber wie alle Freimaurer, Gewalttaten verabscheut, finden sich auch Huldigungen an Dänemark, die darum zitiert werden müssen, weil Evers nicht der einzige war, der die Innen- und Außenpolitik damals lobte:

    Nehmen wir z. B. Dännemark. Wie sicher ist der unumschränkteste Monarch dort auf seinem Throne? (...) Die Regierung nimmt die Rechte der Menschen in Schutz. Denkfreiheit, Glaubensfreiheit, Handlungsfreiheit, herrscht daselbst. Alle Bürger sind gleich vor dem Richterstuhl des Verdienstes; der Landmann und der Negersklave werden dort nicht mehr als Mitteldinger zwischen Mensch und Thier behandelt, und jede Eroberung wird zu klein gehalten, um sie mit den heiligsten Schätzen des Staates mit Menschenblut zu bezahlen. Wenn auf allen Märkten jacobinische Schreyer Revolutionen predigten, so würde man sie theils bemitleiden, Theils auszischen...» [12]

Zudem ist diese Revolutionsgeschichte aufschlussreich, weil hier ein Maurer aus seiner Sicht die revolutionären Ereignisse des Nachbarlandes schildert und dabei auch die Rolle von Freimaurern und Illuminaten für die Umwälzung berücksichtigt.

Erwähnenswert ist auch Evers Zeitschrift «Journal der neuesten Weltbegebenheiten» (1795-1800). Innerhalb der Zeitschriften seiner Zeit zählte sie zu den franzosenfreundlichen Blättern. Eine Kritik lautet : «Hier hat man eine Probe von der hochtrabenden Sprache der Revolution. Jede Regierung, welche nicht wie ein duldendes Lamm, sich und das Glück ihrer Bürger den französischen Freiheitshelden überliefern will, welche den Bedrückungen muthvollen Widerstand entgegensetzte verschwört sich gegen die Freiheit; (...) Man sieht aus diesen wenigen Bruchstücken, dass diese Zeitschrift an wüthendem blindem Demokratismus viele Pariser Journale noch übertrifft.» [13]

Aufschlussreich ist in diesem Zusammenhang, dass Legationssekretär der Französischen Republik Jean Benedict Lemaitre am 1. Juni 1797 in die Loge aufgenommen wurde. Er war neben Georg Kerner ein Sekretär des aus Schwaben gebürtigen französischen Diplomaten Karl Friedrich Reinhard. Über die Anerkennung Reinhards war es in Hamburg zu Konflikten gekommen. Die Toleranz der Brüder der Loge «Carl zum Felsen» wird dann besonders deutlich, wenn man sich vergegenwärtigt, welches Politikum die Aufnahme dieses Franzosen war. Noch Ende März 1797 waren Bewaffnete nachts in die Wohnung Reinhards in Neumühlen eingedrungen und feuerten Schüsse ab. Reinhards Frau, eine Tochter des Hamburger Arztes Reimarus, erlitt wenige Wochen später eine Fehlgeburt.

Lemaitre gehörte zudem der von Georg Kerner gegründeten «Philanthropischen Gesellschaft» an, einer Vereinigung, die schon fast einer politischen Partei ähnelte und Juden in ihre Reihen aufnahm. Es ist Evers «Journal der neuesten Weltbegebenheiten», das wie keine andere deutsche Zeitschrift positiv über diese Vereinigung berichtet. Sie machte damals Schlagzeilen und wurde auf Druck Englands verboten. [14]

Einige Bemerkungen noch zu Johann Friedrich Bechtold (1769-1837). In Leipzig geboren, eröffnete er in Altona eine Buchhandlung und eine Leihbibliothek (Breitestrasse 425) verlegte u.a. 1795 Schriften des Revolutionärs Johann Georg Friedrich Rebmann und des aus Berlin nach Altona geflohenen Heinrich Würzer. Um die Jahrhundertwende war er auch der maßgebliche Verleger der Altonaer Nationaltheaters.

Evers schließlich war neben Bechtold die wichtigste Persönlichkeit, die Verbindung mit dem 1796 als stehende Bühne eröffneten «Altonaer National-Theater» hatte. Er schrieb selbst Theaterstücke, und nachdem der erste Direktor Johann Friedrich Ernst Albrecht 1800 seine Direktion niederlegte, leitete er das Theater. Allerdings verlor er dabei sein Vermögen. Um seine Schulden zu bezahlen, verkaufte er sein Goldschmiedeamt an die Loge.

Tatsache ist, dass sich enge Verbindungen zwischen dem Schauspielhaus und der Loge nachweisen lassen. 1797 trat der Schauspieler Carl Gottfried Miersch der Loge bei, und es folgten Carl Philipp August Schüler und 1798 Friedrich Kroseck, Wilhelm Carl Theodor Fester, genannt Knauf und Carl Ludwig Costenoble, der später einer der berühmtesen Bühnengrößen im deutschsprachigem Raum wurde. Weiterhin besuchte schon Johann Friedrich Ernst Albrecht 1796 vor seiner Direktorenschaft beim Theater die Loge und hielt zum Johannesfest die Festrede: «Der besuchende Dr. Albrecht hielt in Vertretung des Br. Redners die Festrede über ‹die Natur, ihr Vorzüge und ihre Schönheiten›, die mit ungetheiltem Beyfall aller Brüder bekrönt war.» Es sei übrigens erwähnt, dass die Aufnahme von Schauspielern, deren gesellschaftlicher Status gering war, damals nicht selbstverständlich war.

Albrecht, einer der Erfolgsautoren seiner Zeit, war einer jener deutschen Intellektuellen, die neben französischen Emigranten in Altona und Hamburg Asyl fanden. Vor allem eine reaktionäre Innenpolitik in Preußen, Sachsen und Österreich führte dazu, dass sich viele Schriftsteller nach Altona wandten, ohne dort, wie in ihrer Heimat, Sanktionen befürchten zu müssen. Er war ein Feind der Rosenkreuzer, die er in einem achtbändigen Roman der Lächerlichkeit preisgab und dem Kreis um Evers, Schütz, Bechtold eng verbunden. Der Freimaurer Matthias Simon Eggers, der zuerst «Carl zum Felsen» angehörte und dann der St. Johannis Loge «Zum Pelikan» beitrat, verfasste ein Gedicht zu seinem Tode. [15]

Verbindungen zwischen Schauspielhaus und Loge zeigen zudem drei Schwersternlogen, welche am Johannisfest 1796, 1797 und 1798 stattfanden. Beim Johannisfest 1796 wurde Sophie Albrecht, die Gattin des Theaterdirektors, zur Meisterin einer Schwesternloge gewählt. Sie galt damals als eine der berühmtesten Schauspielerinnen Deutschlands und war bis 1795 wechselnd in Dresden, Leipzig und Prag aufgetreten. Es ist nicht auszuschließen, dass die Anwesenheit der Schwestern auf ihre Initiative zustande kam. Sophie Albrecht hatte sich schon in ihrer Jugend für Geheimbünde interessiert und 1785 die Ausschließung des weiblichen Geschlechts von Logen als eine Ungerechtigkeit bezeichnet.

1797 und 1798 war die Schauspielerin Friederike Kroseck Meisterin der Schwesternloge. In einem erhaltenem Protokoll heißt es: Nach der Wahl der Schwester Kroseck führte der Meister vom Stuhl Kaven sie zu dem «gebührendem Ehrenplatz und ersuchte dieselbe, den sämtlich anwesenden verehrungswürdigen Schwestern durch einen Blumenstrauss unsere Hochachtung und Freude zu erkennen zu geben, die jeden ächten Maurer belebt, unsere verehrungswürdigen Schwestern in unserm Tempel bey uns zu haben, um den heutigen Tag reizender und angenehmer zu machen. Die verehrungswürdige Meisterin Kroseck erfüllte mit edelstem Gefühl der schwesterlichen Gewogenheit die Austeilung der Blumen-Sträusse an die geliebten Schwestern und zugleich ertheilte sie auch den anwesenden Brüdern jedem einen derselben.» [16]

1799 wurde aber beschlossen, beim Johannisfeste keine Schwesternloge abzuhalten. Es scheint seitdem auch nicht mehr geschehen zu sein. Obgleich die Maurer nicht misogyn waren, so war ihr Frauenbild doch herkömmlich geprägt und vor allem durften sie die Geheimnisse auch ihren Frauen nicht mitteilen. In einem Lied für Schwestern heißt es:

    Auch sind die Weiber sanft und gut
         Und freundlich ist ihr Blick;
    Sie machen fröhlich Herz und Muth,
         Und sind des Lebens Glück.

    Drum habt sie ehrlich lieb und werth,
         Und füllt die Gläser voll,
    Und trinkt hier, wo uns keine hört,
         Auf aller Schwestern Wohl! [17]

[1] (Friedrich Ludwig Schröder), Materialien zur Geschichte der Freimaurerei, seit ihrer Wiederherstellung von 1717 bis zum Anfange des neuen Jahrhunderts, 4. Teil, 1817, S. 169.
[2] Zu der Vorgeschichte der Loge «Ferdinand zum Felsen», vgl. Karl Wahlstedt, Geschichte der Logen Absalom zu den drei Nesseln und Ferdinand zum Felsen, Hamburg 1912.
[3] Jakob Katz, Der Orden der Asiatischen Brüder, in Helmut Reinalter (Hg.): Freimaurer und Geheimbünde im 18. Jahrhundert in Mitteleuropa, Frankfurt a.M. 1988, S. 260-283.
[4] Friedrich Wilhelm von Schütz, Freie Bekenntnisse eines Veteranen der Maurerei und anderer geheimer Gesellschaften, Leipzig 1824, S. 29.
[5] Über Schütz vgl. Walter Grab, Demokratische Strömungen in Hamburg und Schleswig-Holstein zur Zeit der ersten Französischen Republik, Hamburg 1966.
[6] Friedrich Wilhelm von Schütz (Hg.), Versuch einer vollständigen Sammlung Freimaurerlieder zum Gebrauch deutscher Logen. Altona, bei Friedrich Bechtold 1800.
[7] Zur Geschichte von «Einigkeit und Toleranz» vgl. Grab, a.a.O. S. 95-101.
[8] Schütz, Frei Bekenntnisse, S. 41.
[9] Joachim Heinrich Campe, Beitrag zu Lessings Denkmal von einer Freimaurer-Loge besonderer Art, in: Schlewigisches ehemals Braunschweigisches Journal, Mai 1792, S. 116-121, hier S. 118.
[10] Friedrich Ludwig Schröder, Materialien zur Geschichte der Freimaurerei, seit ihrer Wiederherstellung von 1717 bis zum Anfange des neuen Jahrhunderts, 4. Teil, S. 103.
[11] Carl Bröcker, Geschichte der St. Johannis-Loge «Carl zum Felsen» in Altona. 22. März 1796 bis 22. März 1896. Im Auftrage der Loge bearbeitet. (Nur für Brüder Freimaurer.) Berlin 1897.
[12] Joachim Lorenz Evers, Geschichte der französischen Staatsrevolution, aus den Grundursachen ihrer Entstehung und ihrer Verbindung mit der älteren Geschichte Frankreichs, entwickelt. Nebst Darstellung des Lebens und der Regierung Ludwigs XVI. Königs von Frankreich. Ein Lesebuch für unpartheyliche Weltbürger. Hamburg bei Bachmann und Gundermann, 3. Tle. 1793-1795, S. 340.
[13] Holger Böning; Emmy Moepps: Altona - Bergedorf - Harburg - Schiffbek -Wandsbek: Kommentierte Bibliographie der Zeitungen, Zeitschriften, Intelligenzblätter, Kalender und Almanache sowie biographische Hinweise zu Herausgebern, Verlegern und Druckern periodischer Schriften. Stuttgart-Bad Cannstatt 1997, S. 346 f.
[14] Über die «Philanthropische Gesellschaft» vgl. neben Grab auch Hans-Werner Engels: Georg Kerner (1770-1812) und die Philanthropische Gesellschaft in Hamburg - Ein Beitrag zum Thema Hamburg zur Zeit der Französischen Revolution, in Quatuor Coronati 1988 Nr. 25, S. 193-207.
[15] Vgl Matthias Simon Eggers, Maurerische Ansichten in periodischen Vorträgen von Matthias Simon Egges, derzeiten Redner der Loge zum Pelikan in Hamburg, Altona 1817.
[16] Carl Bröcker, a a.O. S. 22.
[17] Schütz, Freimaurer-Lieder, a.a.O. S. 147 f.

Am 7. Oktober 2000 im Logenhaus an der Moorweidenstraße, Hamburg,
gehaltener Vortrag

erschienen in
Zirkelkorrespondenz – vereinigt mit dem Niedersächsischen Logenblatt,
129. Jg., Nr. 4, April 2001